Ostergruß von Landesbischof Dr. Schuegraf

Meldung vom

Kleine Dinge können Großes bewirken

Die Feier der Osternacht ist für mich, wie für viele Christinnen und Christen, einer der Höhepunkte im gottesdienstlichen Jahreskreis. Es berührt mich jedes Jahr aufs Neue, wenn die Osterkerze in das Dunkel der Kirche hineingetragen wird.

Besonders beeindruckend ist es für mich, wenn dabei auch das Exsultet (lat. jauchze) gesungen wird – jener großartige Osterhymnus, der seit dem 4. Jahrhundert die Auferstehung Jesu Christi verkündet: Jubelnd wird die Freude und das Licht besungen, das durch die Auferstehung Christi in die Welt gekommen ist.

Die ganze Fülle des göttlichen Heilshandelns wird vor Augen geführt – vom Auszug aus Ägypten über die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus hin zu seiner Passion, Auferstehung und Wiederkunft am Ende der Zeiten. Am meisten freue ich mich, wenn plötzlich die Biene erwähnt wird. Denn das Licht, das in die Kirche getragen wird, verliert seine Leuchtkraft nur deshalb nicht, weil es „ständig genährt (wird) vom schmelzenden Wachs, das die mütterliche Biene für diese kostbare Kerze bereitet hat.“ 

Doch damit nicht genug. In der Alten Kirche folgte ein langer Lobgesang auf die Biene:
Sobald die Dunkelheit des Winters dem Licht des Frühlings weicht, macht sie sich eifrig auf den Weg. Emsig fliegt sie von Blüte zu Blüte, sammelt den Nektar und verwandelt ihn in süßen Honig. Für die Bibel ist ein Land, in dem Milch und Honig fließen, ein Bild für Überfluss und Fülle. So steht die Biene für die Fülle des Lebens, die durch den Tod und die Auferstehung Christi in die Welt kommt. So wie die Biene den Nektar in etwas Süßes und Lebensspendendes verwandelt, so dürfen wir das Osterlicht als das lebensspendende Licht Christi verstehen, das alles erleuchtet und heilt.

Ich finde es großartig, dass sich in das erhabene Osterlob über die Heilstaten Christi auch die ganz alltägliche und zunächst unscheinbare Honigbiene eingeschlichen und ihren Platz im Heilshandeln Gottes bekommen hat. Die heutigen Versionen des Osterhymnus sind straffer und kürzer geworden als zu Beginn der Christenheit. Im Exsultet der evangelischen Osterliturgie gibt es zwar den langen Lobgesang auf die Biene nicht mehr, aber ihr Verdienst um das schmelzende Wachs wird weiterhin erwähnt. Und das ist gut so.

Denn die Biene erdet das Lied. Sie erinnert mich daran, dass wir auch im Kleinen, im Alltäglichen Gottes Güte und Liebe zu uns Menschen entdecken können. Und wie die Biene, die aus dem Nektar des Lebens Süßes macht, können auch wir das Licht der Auferstehung in unseren Alltag weitertragen. Jede Geste der Liebe, jedes Wort der Hoffnung bringt ein wenig Licht in die dunklen Ecken unserer Welt.

Ich wünsche Ihnen ein gesegnetes und freudvolles Osterfest, voller Licht, Liebe und dem süßen Duft des Lebens, der in diesen Frühlingstagen überall aufblüht. Möge das Osterlicht unsere Herzen erhellen und uns dazu inspirieren, wie die Biene in ständiger Bewegung des Glaubens und der Hoffnung zu leben.

Ihr Oliver Schuegraf