12. Tagung der XX. Landessynode in Bückeburg beendet
Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Schaumburg-Lippe verabschiedet Entschließung zum Umgang mit den Ergebnissen der ForuM-Studie
Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Schaumburg-Lippe verabschiedet Entschließung zum Umgang mit den Ergebnissen der ForuM-Studie
Nach den Beratungen am 1. Sitzungstag der 12. Tagung der XX. Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Schaumburg-Lippe am Freitag, den 19. April 2024 im Bückeburger Rathaussaal u.a. mit dem Bericht des stellvertretenden Landesbischofs Dr. Burkhard Peter sowie der Vorstellung von Ergebnissen der 6. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU6) beschäftigten sich die Mitglieder der Landessynode am Samstag, den 20. April 2024 schwerpunktmäßig mit den
Ergebnissen der im Januar 2024 veröffentlichten Aufarbeitungsstudie ForuM zu sexualisierter Gewalt in der Evangelischen Kirche und Diakonie.
Die Präsidentin der Landessynode Daniela Röhler äußerte sich dazu folgendermaßen: „Das Leid jedes Menschen, das hinter den Zahlen der ForuM-Studie steht, beschämt mich und lässt mich nach Worten ringen. Dass die Art, wie wir als Kirche agieren, solches Leid ermöglicht, ist verheerend für jeden Betroffenen und lässt mich als Vertreterin unserer Kirche zutiefst bekümmern. Die Ordnung, die Struktur, wie wir Kirche gestalten, soll dem Evangelium von der Liebe Gottes entsprechen. Die ForuM-Studie zeigt, dass wir sie nicht so gestalten und wir als Verantwortliche versagen.“ Das sei ein bestürzendes Urteil, so Röhler. Es zu verinnerlichen und anzuerkennen seien nun die ersten Schritte für eine tiefgreifende Veränderung.
Synodenpräsidentin Röhler begrüßte zu Beginn der Beratungen des Schwerpunktthemas ForuM-Studie Frau Nancy Janz. Frau Janz sprach zuerst als Betroffene, die selbst sexualisierte Gewalt in der evangelischen Kirche erfahren hat. Außerdem äußerte sie sich sowohl als Co-Forschende im Forschungsverbund Forum als auch in ihrer Funktion als Sprecherin der Betroffenenvertretung im Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).
In die Ergebnisse der ForuM-Studie führte Frau Dr. Alexandra Eimterbäumer ein. Sie ist eine der beiden landeskirchlichen Ansprechpersonen für Betroffene sexualisierter Gewalt. Eimterbäumer resümierte, die „ForuM-Studie zeigt die Versäumnisse der Kirche in allen Bereichen von Prävention, Intervention, Anerkennung und Aufarbeitung.“ Die Landeskirche sei hier erste Schritte gegangen. Jedoch stünden noch große Aufgaben wie zum Beispiel Präventionsschulungen, Erstellung von Schutzkonzepten oder Überarbeitung der Aktenführung an. Es gehe darum, eine klare Haltung einzuüben, um in Gemeinden bestmöglichen Schutz vor sexualisierter Gewalt zu schaffen.
Daran anschließend beschäftigten sich die Mitglieder der Landessynode in Arbeitsgruppen intensiv mit Ergebnissen der Forum-Studie und berieten über Konsequenzen sowie notwendige Schritte für die weitere Aufarbeitung und Prävention.
Mit einer einstimmig beschlossenen Entschließung bekannte sich die Landessynode zum systemischen Versagen, Versäumnissen und Fehlern beim Umgang mit Betroffenen, die sexualisierte Gewalt in der Evangelischen Kirche erlitten haben. In der Entschließung heißt es: „Unreflektierte schnelle Entschuldigungen gegenüber Betroffenen wirken angesichts dieser Erkenntnisse unpassend und unangemessen. Sie können Betroffene erneut verletzen. Wir haben viel dazugelernt, seit wir mit ihnen im Gespräch sind. Wir suchen gemeinsam Wege, die Folgen des geschehenen Unrechts zu lindern und neues Unrecht zu verhindern.“ Die Landessynode stellt fest, dass man gerade in der überschaubaren schaumburg-lippischen Landeskirche aufmerksam daran arbeiten müsse, „dass Vertrautheit nicht dazu führt, Täter:innen zu schützen.“
Betroffene Personen können sich in der schaumburg-lippischen Landeskirche wenden an die beiden landeskirchlichen Ansprechpersonen für Betroffene sexualisierter Gewalt (Pastorin Dr. Alexandra Eimterbäumer (Tel.: 05722 960 123) und Pastor Hans-Angelus Meyer (Tel.: 05724 1665) oder an die unabhängige Ansprechperson Waltraud Burgbacher (Tel.: 05722 290 264) von der Opferhilfe Bückeburg.
Der Text der Entschließung im Wortlaut:
„Entschließung der XX. Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Schaumburg-Lippe
Die Landessynode hat sich ausführlich mit den Ergebnissen der ForuM-Studie befasst und mit Blick auf die eigene Landeskirche Folgendes beschlossen:
1. Die ForuM-Studie stellt deutlich systemisches Versagen, Versäumnisse und Fehler der Evangelischen Kirchen heraus. Sie benennt Verantwortungsdiffusion, familienähnliche Strukturen, die Übergriffe erleichtern, und eine Tendenz zur Vergebung, die ausschließlich die Täter:innen im Blick hat. Unreflektierte schnelle Entschuldigungen gegenüber Betroffenen wirken angesichts dieser Erkenntnisse unpassend und unangemessen. Sie können Betroffene erneut verletzen. Wir haben viel dazugelernt, seit wir mit ihnen im Gespräch sind. Wir suchen gemeinsam Wege, die Folgen des geschehenen Unrechts zu lindern und neues Unrecht zu verhindern.
2. Im Zuge der gesamtgesellschaftlichen Debatte wurde uns bewusst, dass auch wir als Landeskirche uns stärker mit dem Thema sexualisierte Gewalt befassen müssen. Nach vorausgehenden Schritten wurde 2018 die EKD-weite Studie mit dem Forschungsverbund ForuM in Auftrag gegeben. Viele Ergebnisse der ForuM-Studie haben uns als Landessynode überrascht, und sind in ihrem Ausmaß bedrückend und beschämend. Es ist offenkundig geworden, dass Übergriffe, Grenzverletzungen und sexualisierte Gewalt in unserer Kirche vorgekommen sind und immer noch vorkommen.
3. Die EKD wird zusammen mit dem Beteiligungsforum* an dieser Studie weiterarbeiten.
Auf der Ebene der konföderierten Kirchen in Niedersachsen und Bremen bauen wir inzwischen weiter Strukturen auf, wie z.B. die gemeinsame Anerkennungskommission und die sich im Aufbau befindliche Unabhängige Regionale Aufarbeitungskommission. Auf der Ebene der Landeskirche entwickeln wir Prävention sowie Schutzkonzepte, Intervention und Aufarbeitung fortlaufend weiter.
4. Gleichzeitig geht es darum, an unserer Haltung zu arbeiten. Reaktionen wie „Das gibt es bei uns nicht“ oder „Wir kennen uns doch“ sind ein Einfallstor für Täter:innen und ihre manipulativen Strategien. Gerade in einer überschaubaren Landeskirche wie Schaumburg-Lippe müssen wir aufmerksam daran arbeiten, dass Vertrautheit nicht dazu führt, Täter:innen zu schützen. Das bedeutet: Wir müssen Sprache und Worte finden und einüben, Grenzen deutlich zu markieren, und so ein Klima schaffen, in dem sexualisiertes grenzverletzendes Reden und Tun offen angesprochen und gehört werden.
5. Klare Abläufe und standardisierte Verfahren sowie eine Protokollierung der einzelnen Schritte verhelfen zu Transparenz und zeigen Betroffenen, dass ihre Hinweise und Schilderungen ernstgenommen werden. Wir wollen eine Kultur des Hinhörens einüben.
6. Wir werden die vom Beteiligungsforum in der EKD erarbeiteten Standards für die Anerkennungsleistungen übernehmen und auf eine EKD-einheitliche Erfassung von Vorfällen drängen. Wir unterstützen die Erarbeitung einheitlicher Standards, Fortbildungen und Konzepte mit Blick auf Prävention, Intervention und Aufarbeitung innerhalb der Gliedkirchen der EKD.“